Arbeitshunde und die Arbeit mit Hunden

Je länger, je mehr frage ich mich, in welcher Welt leben wir eigentlich? 
Wir kaufen uns Hunde, wohlgemerkt, WIR kaufen sie. Dann höre ich so schlaue Dinge, wie auch aus meinem Mund: "Aber mein Beagle jagt nicht.". Was im Grunde genommen gar nicht stimmt. Sie jagt eigentlich doch, nur einfach nicht vogelfrei, sondern in bestimmten Rahmensituationen. 
Ich gehe, wie der geneigte Blogleser weiss, gerne und mittlerweile viel fährten. Ich habe das aber schon in sehr zartem Alter mit Lotte begonnen und je länger je mehr habe ich unglaublich Spass daran. Lotte natürlich auch, sie darf einmal in der Woche das tun, wofür sie gezüchtet ist. Sie darf mit der Nase jagen. Das findet sie so grandios, dass sie schon, sobald sie weiss, dass die Fährte liegt, fast einen Salto macht und ich sie an die Leine nehmen muss, weil ich meistens, um es schwieriger zu machen, die Fährte liegen lasse und einen Spaziergang mache. Lotte kriegt sich dabei kaum ein. Sie fipst, winselt und will einfach nur zurück, endlich arbeiten dürfen. Sobald es auf die Fährte geht, geht sie ab. Und wie. Vielleicht überläuft sie manchmal die Winkel, ich lege die Fährten sicherlich oft auch nicht so, wie man das machen sollte, aber egal. Es ist einfach just for fun, ich verfolge damit kein sportliches Ziel, sondern ich verfolge damit das Ziel meinen Hund artgerecht und korrekt auszulasten. 
Sie ist ein Nasenhund, wie alle unsere Hunde. Besonders die Jäger unter unseren Vierbeinern. Bei Lady, unserer grossen Schweizerin bin ich manchmal gar nicht so sicher, ob die Nase nicht einfach nur ein hübsches Beiwerk ist, 
Ich konstatiere hier, wie immer unwissenschaftlich, dass Tiere, wenn sie das tun dürfen, wofür sie ausgelegt sind, Spass am Leben haben. 
Letztens wurde mir etwas zugetragen, das mich, obwohl ich die Trainerin, aus deren Mund die Aussage kam, sehr respektiere, stutzig gemacht hat. 
"Fährtende Hunde arbeiten selbstständig und durch dieses selbstständige arbeiten kann es auch passieren, dass die Hunde selbstständig jagen gehen." (So ungefähr zitiert)
Im ersten Augenblick hatte ich das Gefühl, dass das durchaus sinnvoll ist. Je länger ich allerdings darüber nachdenke, umso unsinniger wird diese Aussage. Es pervertiert sozusagen Zuchtbemühungen. Für mich stellt sich das Bild wie folgt dar: Jemand kauft sich, gewollt oder nicht, einen Jagdhund, dieser Hund ist ausgelegt seine Nase zu benutzen. Aus diversen Studien weiss ich, dass ein Verhalten, wenn es unterdrückt wird und das wird das natürliche Jagdverhalten des Hundes durch uns sowieso schon, zu Übersprungshandlungen und extremeren Handlungen führen kann. Sprich, wenn der Hund dann einmal dazu kommt einer Spur zu folgen, dann wird er sie nicht mehr loslassen. Rückruf hin oder her. Auch hier führe ich eine unwissenschaftliche Aussage an, ich bin der Meinung, dass ein Hund, auch wenn er auf der Nase nicht gefördert wird, das Riechen nicht verlernt. 
Wenn ein Hund nun schon Jagdverhalten zeigt, ist es nicht cleverer dieses Jagdverhalten in einen anderen, gewollten Kontext zu setzen? Ist es nicht intelligenter, wenn man dem Hund beibringt einer menschlichen oder einer Tropffährte aus Blut, Katzenfutter oder sonstigen Widerwärtigkeiten zu folgen, als ihm das Jagen vollständig zu versagen oder auf gut Glück durch den Wald zu laufen und zu hoffen, dass keine frische Fährte findet? 
Natürlich arbeitet Lotte die Fährte selbstständig, ihrem Geruchssinn kann ich nicht einmal ansatzweise Paroli bieten und möchte das auch gar nicht. Aber der Ansatz, dass sie es ganz allein macht, stimmt eben auch nicht. Letzte Woche war ich so fahrig und durch den Wind, dass ich  Lotte vollkommen aus dem Konzept gebracht habe. Wir mussten die Jagd schliesslich gemeinsam abbrechen, nicht wegen ihr, sondern weil ich so unkonzentriert war. Sie konzentriert sich also trotzdem auf mich -  oder gerade deswegen, weil sie die Fähigkeit hat mich zu führen? Fährten ist in meinen Augen Teamarbeit.
Natürlich lernen Hunde auf der Fährte ihre Nase zu benutzen, aber sie lernen, einem bestimmten Geruch zu folgen. Es käme ja auch niemand auf die Idee zu behaupten, dass ein Drogenspürhund ein Jäger ist, weil er weiss, wofür seine Nase an der dafür vorgesehenen Stelle angewachsen ist. 
Lotte läuft also fährtend vor mir her, aber ich erkenne, wann sie abkommt, gebe ihr Kommando. Am Ende bin ich diejenige, die den Napf aufmacht. 
Nach dem Fährten sehe ich einen unglaublich zufriedenen Hund, der nach 20 Minuten Arbeit so müde ist, dass er zwei Stunden zufrieden schläft, ohne einen Mucks. Ich habe den Hund also auf eine Art ausgelastet, die ihr gut tat. Sie durfte das tun, was WIR seit vielen, vielen Jahren in den Genen dieser Hunde versteckt haben. 
Ich exponiere mich sogar noch weiter, ich behaupte, dass es genau das Fährten war, neben meiner unermüdlichen Appellarbeit, die dazu geführt haben, dass Lotte praktisch nicht auf eigene Faust jagen geht. Sie weiss, dass sie in einem, von mir gestecktem Rahmen, die Freiheit dazu bekommt. Wenn ein Verhalten, ich erinnere mich dunkel an mein Studium, unter einer Schwelle gehalten wird, weil es immer wieder ein bisschen, oder wenigstens ansatzweise ausgelebt werden darf, dann wird es, wenn sich wirklich die Möglichkeit dazu bietet sehr viel weniger stark ausgelebt werden oder gar nicht zu Tage tritt. So erlebe ich das Tag für Tag, wenn ich durch den Wald laufe. 
Es stört mich oft, dass wir versuchen den Hunden, denen wir in fast unermüdlicher Zuchtarbeit bestimmte Aufgaben zugewiesen haben, heute innerhalb von wenigen Generationen diese wieder abzugewöhnen. Müssen wir nicht vielmehr daran arbeiten, sie umzulenken oder in ein Teamwork zu integrieren? Das gilt für mich genau so für den Border Collie, wie für den American Staff, diese Hunde sind intelligent, stark und clever. Boder Collie sind aus einem guten Grund meisterhafte Agilityathleten, warum? Weil sie schnell sind und unglaublich auf ihren Führer bezogen. 
Warum sollten wir unsere Jagdhunde nicht darauf trainieren mit uns eine nachgestellte Jagd zu unternehmen? Und zwar egal, ob Vorstehhund, Grubenterrier oder Laufhunde, sie alle verfügen über eine wahrhaft meisterliche Nase.  
Warum können wir nicht die Talente, die unsere Hunde mitbringen nutzen und sie fördern und zwar so, dass beide etwas davon haben. Die Nase des Hundes ist eben nicht wie bei uns ein hübscher Brillenhalter, die hat doch tatsächlich einen Nutzen. Warum lassen wir diesen Nutzen so einfach aussen vor oder unterdrücken ihn willentlich? Wir haben einen Dackel bei uns im Hundesport, die genau wie Lotte sehr, sehr früh angefangen hat zu fährten. Anfangs war ich auch skeptisch, ich wollte auf keinen Fall, dass Lotte ihre Nase am Boden hält, aber die Dackelbesitzerin hat mir ein paar Tricks und Kniffe gezeigt, die uns sehr geholfen haben. Auch dieser Dackel jagt nicht. 

Mich würde wirklich die Meinung meiner Leser interessieren, wie seht ihr das?