Manchmal muss man Farbe bekennen

Manchmal muss man einfach sagen, auf welcher Seite man steht. Ich bin natürlich begeisterte Zuschauerin von Victoria Stillwell, die mit sehr einfachen Methoden unerzogenen Hunden in Amerika hilft. Lotte natürlich auch, eine Stunde lang schaut sie begeistert in den Fernseher und nimmt alles auf, was Victoria den Hunden austreiben möchte und denkt nicht mal im Traum daran diese Dinge selbst zu tun (würde ich mir wünschen). Aber immerhin, sie schaut zu.
Heute habe ich eine neue Folge gesehen mit einem, mich schaudert, Puggle. Eine Mischung aus Beagle und Mops. Wie schrecklich ist das? Sogenannte Hybridzüchtungen, Designermixe.
Sind wir ehrlich, alle unsere Hunde sind Designermixe, die über lange Zeit dazu gemacht wurden, was sie heute sind. Doggen waren vor 50 Jahren noch lange nicht so gross, wie sie heute sind, Beagle wurden vor 50 Jahren noch mehrheitlich in Meuten gehalten und nicht wie heute, mehrheitlich als Prinzessinnen auf ihrem Lieblingshundekissen, Labbis waren noch die absoluten Jagdhunde.

Jetzt züchten wir also auf einmal noch mehr Hunde, die eigentlich keinen Sinn und Zweck haben, sondern uns nur beglücken sollen. Wir züchten die kurze Schnauze des Mops weg und machen da eine lange hin und dieses nervige Jagdgehabe des Beagles geht so auch gleich mit weg. Ich mag das nicht. Ganz und gar nicht. Wir haben in den Tierheimen viele Hunde, die aus Versehen entstanden sind, die tolle Familienhunde abgeben, müssen wir dazu zwei Rassen, die so weit auseinanderliegen wie Pluto und Sonne miteinander vermischen? Ganz ehrlich, ich bin ganz klar für klarere Rassen, nicht für Zuchtstandards, sondern für Hunde, die ihrem Job entsprechen. Ich bin dafür Labrador Retriever wieder auf Wasserarbeit zu züchten, nicht als "die perfekten Familienhunde" zu verkaufen. Labbis sind keine perfekten Familienhunde, Moritz, mein Labrador war ein Einmannhund, den ich vergöttert habe und der zwar mit allen Menschen klar kam, aber seine Menschen brauchte. Sie sind, wenn sie so gezüchtet sind, wie sie sollen, selbstständig, sie brauchen eine konsequente Hand, ausdauernde Wasserarbeit. Es sind keine Babysitter. Viele Züchter vergessen das heute. Wozu züchten wir Showlinien, die mit der Dummyarbeit nichts mehr zu tun haben möchten?
Wozu nehmen wir dem Beagle den Biss auf der Jagd? Lotte ist mehr als glücklich, wenn sie Fährten arbeiten darf, Jagdersatztraining nenne ich das. Ab nächster Woche gibt es die ersten Babysteps auf der Schweissfährte (kleiner Spass nebenbei: Ich habe das Blut mit meiner Harley geholt, die Metzger haben nicht schlecht gestaunt).
Die Antwort ist einfach, weil viele Menschen zu wenig Lust haben sich mit dem Hund, den sie an der Leine haben auseinanderzusetzen.  Wenn ich manchmal durch den Hundepark gehe, dann kommen mir Menschen mit Hunden an der Leine entgegen, bei denen ich nicht sicher bin, ob sie wissen, was diese Rasse möchte/braucht.
Das härteste Beispiel in meinen Augen, es tut mir fast leid, dass ich das so schreiben muss, war eine stark übergewichtige Frau mit einem jungen Dobermann. Bevor jetzt hier ein Gerücht entsteht, ich bin der Meinung, dass ein Hund das beste Mittel ist, wieder unter Leute zu kommen und abzunehmen. Aber ein Dobermann? Diese Rasse ist dafür bekannt, dass sie sehr sportlich, agil, aber auch einen leichten Hang zur Aggressivität zeigt. Solche Hunde muss man mit Agility auslasten, joggen, schwimmen, IPO Arbeit, Schutzdienst, Mondioring, etc. Diese Hunde brauchen Action, diese Hunde brauchen einen Besitzer, der weiss, wie man einen Hund erzieht. Der Hund war der erste Hund in den Händen der ansonsten sehr netten Dame. Ich habe sie dann einfach darauf angesprochen, ob sie sich diesen Hund aus einem bestimmten Grund gekauft hat.  Die Antwort "Er sieht furchteinflössend aus." Mehr nicht. Ich war schockiert. Ich habe sie dann gefragt, ob sie denn Sport mit dem Hund machen wollte, nein, würde sie nicht wollen, sie würde nahe des Hundeparks wohnen und jeden Tag spazieren gehen, das würde schon reichen.
Mir fehlen die Worte. Ich habe dann auch einfach nichts gesagt.

Um den Menschen jetzt also furchteinflössende Hunde zu bieten, die aber so brav sind wie ein Schaf sollte man doch am besten Schaf mit einkreuzen. Um den Menschen den "perfekten" Hund zu bieten picken wir Rosinen, mit Lotte esse ich das ganze Studentenfutter. Man glaube mir, ich lerne jeden Tag. Wir nehmen uns die Möglichkeit mit diesen Designermixhunden, dass wir Menschen Türen zu Räumen betreten, die wir ohne unsere Hunde nie betreten hätten. Wie die Frau mit dem hyperaktiven Goldie, über den sie zur Dummyarbeit kam und heute mit ihm zur Entenjagd geht. Sie ist glücklich, dass sie die Chance hatte mit ihrem Hund zu arbeiten. Ohne ihn hätte sie nie angefangen zur Jagd zu gehen. Ohne Hunde, die uns zwingen uns zu überlegen, welche Aufgabe sie erfüllen sollen, werden wir faul.
Ich finde, dass es genug tolle "Schosshundrassen" gibt, deren Lieblingsaufgabe schön aussehen und auf dem Sofa liegen ist. Wir brauchen nicht immer noch mehr Rassen, sondern mehr Hirn in der Verbesserung der Rassen, die wir heute haben, sie hätten es nötig. Es gibt so viele Rassen, deren genetische Grundlage auf derart wackeligen Füssen steht, dass man sich überlegen muss schonend und unter Berücksichtigung der ursprünglichen Auslegung der Rasse einzukreuzen. Oder viel schlimmer, die schon so verzüchtet sind, dass man sich überlegen muss, wie man die schlimmsten Fehler rückgängig machen kann (siehe z.B. den deutschen Schäferhund, deren Showlinie nicht einmal mehr gerade laufen kann), wie man genetische Krankheiten so weit wie möglich unterdrücken kann. Wir brauchen keine neuen Rassen, keine Hybridzüchtungen, wir brauchen mehr Hirn in der Zuchtgrundlage. Wir haben uns bereits die fähigsten Rassen vor langer Zeit designt, wir haben es geschafft sie zu verkorksen (siehe schwimmunfähige Labradorschlaftabletten, die kein Jäger mehr haben will, Möpse, die kaum mehr atmen können, Pekinesen mit nicht vorhandener Nase, .....). Es braucht Zuchtrichter, die diesen Wandel einleiten, Züchter, die sich für Wandel einsetzen. Nicht solche, die sich durch einen "fancy" Designermix aus Amerika das schnelle Geld verdienen möchten, weil es für einige Menschen cool ist sich einen Hund an die Leine zu hängen, der gerade einen Namen hat, den man öfter im Fernseher hört.
Es gibt so viele Rassen, die kurz vor dem Aussterben stehen. Wer hat denn von uns schonmal einen "kleinen Brabanter" gesehen? Oder mehr als einen Coton de Tulear (übrigens ein toller, aktiver Schosshund), wer kannte vor Barack Obama schon einen Wasserhund, Schapendoes, alle möglichen Bracken (alpenländische Dachsbracke...), wer weitere sucht, der sollte sich mal die einzelnen FCI Sektionen anschauen. Ich denke da findet doch jeder, der einen Hund sucht, etwas passendes.
Ja, ich mag rückständig wirken, zum Wohle derer Rassen, die wir heute haben. Und zum Wohl der Menschen, deren Hund ihnen zu einem wunderbaren Hobby verholfen hat. (Wer hätte gedacht, dass ich jemals freiwillig Blut anrühre, um es dann liebevoll im Wald zu verteilen?)

Der Hund braucht sein Hundeleben. Er will zwar keine Flöhe haben, aber die Möglichkeit sie zu bekommen. (Robert Lembke, dt. Journalist und Fernsehmoderator)