Jagd - unnütz und unethisch?

Oftmals ist wird mir die Frage gestellt, wie ich es mit meinem Gewissen vereinbaren kann, dass ich zur Jagd gehe. Die Frage muss ich auf verschiedenen Ebenen beantworten und oftmals bekomme ich von Menschen, die nicht mehr als einen Spazierweg im Wald beschritten haben, wüste Anfeidungen zu hören.
Besonders im Herbst, wenn Treibjagden wieder Hochsaison haben und ich wieder mit Hund ausrücken kann.

Das alleroberste Argument, dass ich zu hören bekomme "Die Tiere sterben in Angst und Schrecken. Das Adrenalin verdirbt doch das Fleisch." Komisch, ein solches Argument höre ich nie, wenn ich an der Coop Kasse mein imaginäres Qualité et Prix Pouletschenkeli kaufe. Das tue ich natürlich nicht. Unsere Zuchttiere sterben qualvoll in Schlachthöfen, zu denen sie unter widrigsten Bedingungen gekarrt wurden. Bei Transport- und Produktionsbetrieben wird von vornherein eine bestimmte Prozentzahl der Tiere abgezogen, sie sterben an Herzversagen, oder weil sie zerdrückt werden. Weil es günstiger ist, werden Schlachttiere aus Deutschland nach Italien gekarrt, weil Geld gespart werden kann.
Auf der anderen Seite verlangt unsere Gesellschaft immer öfter nach Biofleisch, leider ist das Bild vom liebevoll aufgezogenen Kälbchen ein Marketinggag - entweder man ist heute Milch- oder man ist Fleischkuh, Zweinutzungsrassen und Mutterkuhhaltung sind zwar auf dem Vormarsch, aber noch längst nicht gang und gäbe- sie sind auch noch nicht rentabel genug.
Die Nachfrage nach Wildfleisch kann kaum gedeckt werden, auch dieses muss mittlerweile gezüchtet werden und wird auf ähnlich widrige Weise getötet. Wirkliches Biofleisch "wächst" nur im Wald, es darf sich auf natürlich Weise vermehren, lebt ein artgerechtes Leben, auf den Treibjagden wird es in Bewegung gebracht, damit es der Jäger schiessen kann. Würden die Tiere in voller Panik flüchten, dann hätte ich nicht letztens über ein Schwein stolpern müssen, bis ich es gesehen habe. Es ist dann davongerannt, wie es jedes Wildtier tut.
Machen wir uns nichts vor, Fleischkonsum ist der Luxus des kleinen Mannes geworden, obwohl Ernährungsberater, Umweltschützer und Ärzte gleichermassen davon abraten. Jeder Schweizer isst pro Woche ein Kilo Fleisch. Wir sind also weit entfernt von einer vegetarischen Gesellschaft. Das Futter für diese Tiere wird importiert, weil es gar nicht mehr so viel Weideland gibt, dass wir das Futter selbst anbauen könnten. Was für ein Irrsinn. Natürlich löst die Jagd so ein Problem nicht, aber grosse Jagden verkaufen unter Einhaltung ihrer Abschusszahlen bis zu zwei Tonnen Fleisch pro Jahr, aufbauen auf nachhaltiger, extensiver Landwirtschaft, es wird minimal zugefüttert.
Das, was mich an dieser Aussage auch sehr stört ist der grössere Teil der Menschheit, der im Wald unterwegs ist, "Nichtjäger". Jogger, OL Läufer, Mountainbiker, Reiter, Hündeler, wie oft bin ich im Wald unterwegs mit Hund und treffe herrenlose Hunde an, die auf geradewohl am Jagen sind. Mountainbiker, die quer durch den Wald rasen, sich nicht an Wege halten und somit auch keine Rückzugsmöglichkeiten für das Wild offen lassen, ebenso Jogger und OL Läufer, die einfach querfeldein durch den Wald pesen, als ob es kein Morgen gäbe und die Welt ihnen gehörte. Wild- und Waldschutzzonen werden grosszügig ignoriert, ein Grossteil der Tiere wird aufgescheucht, einige von ihnen verenden elendiglich vor Autos, die sie zu Tode fahren. Das ist wirklich ein hässlicher, langer Tod, wenn der Autofahrer das nicht meldet und das Tier im Wald verreckt, weil es eben nicht gleich ganz Tod war, wie es bei einem Schuss der Fall sein sollte. Es sind im übrigen die Jäger, die mit Nachsuchehunden diese Tiere aufspüren und töten müssen, unentgeltlich, das Fleisch ist selten brauchbar. In meinem Spaziergebiet ist der Stress im Sommer so gross, dass bis zu 60 Rehe überfahren werden, das dezimiert den Abschuss durch die Jäger deutlich, bringt ihnen mehr Arbeit und weniger verkauftes Fleisch und trotzdem zahlen sie jedes Jahr ihren Pachtzins.

"Jäger sind blutrünstige Arschlöcher, die nur aufs Töten aus sind." Waren unsere Vorfahren das auch? Es gab schliesslich mal eine Zeit, da musste man noch jagen gehen. Das ist nicht allzu weit von uns entfernt, während der Industrialisierung gab es meiner Meinung nach noch keine Supermärkte. Es wurde auch noch selbst geschlachtet.
Ich bin nicht dieser Meinung, aber ich denke, dass es immer einige schwarze Schafe gibt. Deshalb sollte man aber nicht alle Jäger über einen Kamm scheren, negativ Beispiele, wie das Facebookmonster Michelle Bachmann gibt es, keine Frage und schrecklich genug, dass es sie gibt. Das grüne Abitur wird in den letzten Jahren immer beliebter, ich denke nicht, dass das daran liegt, dass die Menschen blutrünstiger werden. Ich denke eher, dass sie mehr Interesse an unseren Wurzeln haben. Der Wald und seine Bewohner erden uns, geben uns Halt und viele Jäger unter anderem mein eigener Vater sehen das Ansitzen im Wald als eine Entschleunigung des Alltags, die Möglichkeit zu sich zu kommen und nachzudenken, sich über Stunden mit sich selbst zu beschäftigen. Wie oft hat mein Vater mir erzählt, was er alles im Ansitz gesehen hat und am Ende doch nicht geschossen hat. Er hatte keine gutes Gefühl, es war nicht der Tag. Die meisten Jäger sind sich, wie Tierärzte, der Verantwortung über das andere Leben bewusst. Machen sie den Finger krumm, dann stirbt das Tier. Es gibt nur wenige, die das als Nervenkitzel sehen.
Man könnte jetzt darüber diskutieren, ob es richtig ist, dass wir heute unser eigenes Fleisch bejagen, wir können es ja im Coop kaufen. Aber Jägersfrauen sind meist die einzigen, die noch ein ganzes Tier verwerten können und Niere, Leber und Herz gut herrichten können. Sie muss auch nicht nach der Kühllinie fragen oder sich Sorgen machen, dass sie es mit Gammelfleisch zu tun hat. 
Jäger wissen wo ihr Fleisch auf dem Teller herkommt, sie verwerten das gesamte Fleisch des Tieres, die Hunde bekommen jeweils das Herz, wenn ich aufbreche. Gekocht, versteht sich. Ich nehme ab und an sogar den Schweiss, also das Blut mit, um Fährten zu legen für Lotte. Die Darmteile werden im Wald gelassen und dort von Füchsen gefressen. 

"Unsere Wildbestände regulieren sich von selbst viel besser, da braucht es keine Jäger. Siehe Beispiel Genf." 
Schlichter Unfug, in Genf werden jedes Jahr 545 Sauen geschossen, von Wildhütern, das kostet den Steuerzahler allein für die Nachtjagden auf dem kleinen Gebiet 400`000 CHF, jährlich. Das ist mehr als ein Abschuss täglich, einiges mehr als auf dem Jagdgebiet von Basel beispielsweise. Da kommen noch Waffen-, Personal-, Munitionskosten dazu, wie auch die eigene Schlachtanlage, etc. Alle anderen Jagdpächter zahlen dem Staat einen Pachtzins, sie kümmern sich um Wildschäden, sind vor Ort, wenn Tiere angefahren werden, machen Zählarbeit, Kirrungen, etc. Alles unentgeltlich, sie bringen dem Staat also einen Mehrwert, den sie selbst bezahlen. Der Schuss, das was immer mokiert wird, ist der kleinste Teil der Arbeit. Jagdpächter müssen sich selbst um eine Schlachthalle kümmern, sie organisieren nicht nur Treibjagden, sondern sitzen nächtelang im Dunkeln auf dem Hochsitz und warten, durchschnittlich 30 Stunden im Ansitz, bis sie ein Tier schiessen. Das erklärt auch, warum Treibjagden von Nöten sind, es sind schlicht mehr Jäger unterwegs und die Treiber geben dem Wild Bewegung, trotzdem werden die Jäger immer noch viele Nächte im Wald verbringen. Die Abschusszahlen werden von der Politik vorgegeben und müssen erreicht werden. In Genf wird ganzjährig geschossen, alle anderen halten sich an Wildruhezeiten. Es wird auch gern argumentiert, dass man in Genf vom Jagdlärm ungestört durch den Wald gehen kann, ich gehe jeden Tag durch den Wald und sehe nur die Grünröcke, die ab und zu in ihrem Vereinsheim zu den Bläserabenden unterwegs sind. Einmal im Jahr ist der Wald gesperrt, dann ist eben Jagd. Einmal im Jahr und nachts, wenn die Jäger allein ansitzen sehe ich nur sehr selten jemanden im Wald, gerade im Winter bleiben die Menschen in ihren Wohnungen. Es wird ebenso mokiert, dass man in unseren Wäldern gar keine Tiere sehen würde, das stimmt auch nicht, man muss nur wissen, wo man sie suchen muss. Ich sehe oft frischen Aufrbuch im Wald, abgebissene Triebe an Bäumen von Rehen, aber Rehe sind Fluchttiere und Sauen sind dämmerungsaktiv und auch sehr scheu, aber von Natur aus. Bambi wird sich vermutlich selten auf den Weg stellen und sich streicheln lassen.
Wer sich schon einmal länger mit einem Biologen unterhalten hat, der wird feststellen, dass viele Naturschutzvereine, wie zum Beispiel pro natura, der Jagd nicht ablehnend gegenüber stehen. Eines steht für mich aber auch fest, manche Strukturen werden sich in den nächsten Jahren verändern. 

Jagd ist heute nicht mehr wie früher ein gesellschaftliches Highlight, sondern wird von wenigen betrieben. Sie stecken viel Geld, Zeit und Arbeit in ihre Pachten. Ansitzjagden gewinnen an Priorität, die Jagd mit Hund im Trieb wird unwichtiger. Alte Bräuche werden sich nach und nach auflösen, auch wenn ich persönlich diese Bräuche zum Teil sehr schätze. Ich mag das Jägerlatein, weil ich denke, dass jeder Zusammenschluss von Menschen eine "eigene Sprache" spricht, Hündeler, Gümmeler, Wanderer, Berufsgruppen, Sprache eint uns, bei so viele verschiedenen Menschen, die ich auf der Jagd antreffe schätze ich es, dass wir eine Sprache sprechen. Auch das althergebrachte Brauchtum mit dem letzten Bissen und dem Verblasen der Strecke wird oft belächelt oder kritisiert, der Schütze würde sich noch einmal im Blut suhlen dürfen, vor all seinen Kollegen angeben, was er tolles geschossen habe. Dabei wird einerseits nicht beachtet, dass ein Fehlabschuss grössten Spott einbringen kann, der sogar dazu führen kann, dass ein Jäger, der ein Wildstück nicht richtig angesprochen hat, nicht mehr zur Jagd eingeladen wird. Andererseits empfinde ich es als eine Rückblick auf die Jagd, wie ist es gelaufen und Ruhe einkehren lassen, die Schützen ziehen den Hut vor dem Tier und es wird nicht viel geredet dabei. Die Hörner lassen mir jedes Mal einen Schauer über den Rücken laufen, manchmal heulen die Hunde dazu, Abschied nehmen. 
Das gemeinsame Essen nach der Jagd ist oft lustig und feuchtfröhlich, aber das ist auch in jedem Turnverein so, der ja auch gesellschaftlich anerkannt ist, wie auch die Studentenverbindungen, die Jägerschaft ist auch einer dieser alten Treffpunkte, in einer schnelllebigen Zeit haben junge Menschen wie ich selten die Chance sich mit älteren Menschen zu unterhalten, die nicht aus der eigenen Familie stammen. Mit älter meine ich über sechzig. Es gibt zu wenig wirklich engagierte junge Jäger in meinem Alter. Man trifft sich ein paar Mal im Jahr, redet, erfährt etwas über die anderen, auch das ist Jagd. Es wird heute oft davon geschrieben, dass die Menschen zunehmend vereinsamen, aber solche Abend verhindern das. 

Die Jagd bedeutet für mich viel mehr, als das Beschiessen von Tieren, das ist für mich der allerkleinste Teil. Es ist ein faszinierendes Sammelsurium aus Brauch, Tradition, Zusammentreffen, aber auch Lebenserfahrungen machen. Es ist kein Spass für mich, wenn ich Tier getötet wird, aber es ist auch kein Spass für mich, wenn wir unserem Wildtieren den Platz streitig machen und nicht dafür sorgen, dass sie ein artgerechtes Leben führen können. Dafür dienen letzendlich die Abschusszahlen, sie garantieren, dass die Tiere, die dem Abschuss entgehen, genügend Platz haben, dass aber auch der Bewuchs im Wald intakt bleibt, dass die Felder der Bauern, die unsere Grundnahrungsmittel herstellen intakt bleiben und ein ökologisches Gleichgewicht angestrebt wird. Ich bin dafür, dass an Orten, wo es möglich die alten Prädatoren eingesetzt werden, aber es gibt kleine, stadtnahe Reviere in denen das schlicht nicht mehr möglich ist. Luchs, Wolf und Bär brauchen viel Platz und Erfahrungen mit "Problembären" gab es ja genug in der letzten Zeit. 
Ich könnte hier seitenweise weiterschreiben, die Problematik mit Jagdhunden, die nur noch zu Schönheitszwecken gezüchtet werden, etc. Aber das führt zu weit. 

Dies ist ein sehr persönlicher Bericht und diejenigen, die ihn kritisieren möchten, die lade ich ein. Allerdings bitte ich um Sachlichkeit, persönliche Angriffe werde ich nicht dulden.