Hunde verwöhnen

Es gibt einen eklatanten Unterschieden zwischen dem, was Menschen tun, wenn sie ihren Hund verwöhnen möchten.. und Hunden, die von ihren Menschen verwöhnt werden möchten. 

Fangen wir einmal bei den Menschen, also bei mir an. Wenn ich meine allerliebste Lotte verwöhnen möchte, dann gehe ich lange mit ihr spazieren. Was eigentlich mir grossen Spass bereitet. Oder ich lade Freunde ein, die ihre Hunde mitbringen, die Hunde spielen und wir quatschen miteinander. 
Gelegentlich fahre ich in weit entfernte Hundegeschäfte, wahlweise mit oder ohne Lotte und suche dort für sie ein besonders schönes, gepolstertes Halsband, das ergodynamisch geformt und mit NASA Polyurethan unterlegt ist, damit der non existente Hundeschweiss besonders perfekt aufgefangen wird und es bei 90 Grad in der Waschmaschine waschbar ist. Meist auch eine solche Leine, damit mein nicht an der Leine ziehender Hund meine nicht existenten zu langen Fingernägel nicht abbrechen kann. Oder ich surfe stundenlang im Internet, um mich über die kottechnisch genialste neue Futtererfindung von irgendeinem besonders schonend produzierendem Futterhersteller zu erkundigen, der in seinem Trockenfutter nur das Herzfleisch von Angoraziegen benutzt, damit auch die nach links drehenden Omega 5 Fettsäuren meinen Hund nicht schwindelig machen. 
Ich lese sämtlich Hundeblogs im Internet, um mich über die beste neue Hundesport Erfindung, den besten Weg eine Fährte für meinen Hunde zu legen, die besten neuen Beaglelinien aus England (die endlich so schnell sind, um eine fliegende Frisbee zu fangen, oder am besten gleich ein UFO in der Schnauze verstecken können, das ist aber eher ein familieninterner Witz), die neuesten Mittelmeerkrankheiten, die bei uns eingeschleppt wurden, den neuesten Trend bei den besten Leckerchen oder sonstiges zu informieren. 
Ich surfe in wirklich abgehobenen, teuren Hundeshops, um mir ergodynamische geformte Körbchen für 200€ anzuschauen, Leinen, Halsbänder und gerne auch Spielzeug, das so aussieht, als würde Lotte es in drei Minuten zerlegt haben, anzuschauen und mir zu überlegen, ob ich eine schlechte Hundemutter bin, nur weil Lotte eben kein ergodynamisches Körbchen für 200€ besitzt. Vielleicht hat mein Hunde ja Rückenschmerzen? Vielleicht schläft sie deshalb in Positionen, in denen mir beim Hinschauen mein noch nicht allzu altes Kreuz schon wehtut? Zugegeben, es kann nicht gesund sein, wenn der eigenen Hund wahlweise zusammengerollt wie eine Katze daliegt (obwohl ich in den besagten Blogs gelesen habe, das Beagle bekannt sind für diese Schlafposition) oder den Kopf gleich ganz aus ihrem Körbchen heraushängen lässt, so dass Madame schnarcht, als würde es um den Preis im Wettsägen gehen. Schliesslich drückt ihr diese Position ein Teil ihrer Luftröhre am, ich könnte so nicht schlafen, ich würde ersticken, aber wenns gut tut....

Hunde haben eine vollkommen andere Vorstellung von verwöhnt werden. Lotte ist es, auch wenn es mir im Herzen wehtut, furzegal, mit welcher Leine ich sie vor die Tür nehme. Sie freut sich auf nichts mehr, als einen langen, ausgedehnten Spaziergang, auf dem ich mich möglichst viel mit ihr beschäftige. Blödsinn mache, neue Wege finde, ihr Stöckchen schmeissen, bis mein Arm lahm ist und zur Krönung noch mit ihr den Tümpel steige. Für Lotte ist es der grösste Luxus, wenn sie sich erst in der frisch ausgebrachten Schweinegülle, dann im Fuchskot und zu ihrem allergrössten Glück noch eine Runde in Kotze (egal welche Spezies, aber Mensch findet sie unnachahmlich genial) wälzen darf und anschliessend zu Hause nicht geduscht wird (was niemals passieren wird). 
Lotte liebt es, wenn wir die Welt erkunden. Das Halsband ist störendes Beiwerk, Leinen sind ganz und gar überflüssig. Ein Beagle ist autark, dem muss man nicht zeigen, wo es lang geht. Der perfekte Tag geht dann weiter mit einer kleinen Jagd auf Raben, den man am Ende zwar nicht erwischt, macht aber nichts, einer kurzen Fährtenverfolgung im Wald (zwischen einer halben und fünf Stunden) und anschliessend einem ausgedehnten Spiel mit einem Hundefreund, gerne ein Beagle, die spielen halt einfach so, wie Beagle gern spielen. Den anderen muss man das immer erst beibringen. 
Wenn der lange Spaziergang von mindestens drei Stunden vorbei ist, dann sollte der Napf möglichst hoch gefüllt sein. Am liebsten mit alter Pizza, Käserändern, Wursträdern und dergleichem. Hundefutter? Auch in Ordnung, nur bitte mengenmässig anpassen, der Magen sollte wohl gefüllt sein. Ob die Omega 5 Fettstrukturen darin nach links recht oder gar nicht drehen ist Lotte so derartig wurst. Für Lotte ist es dann auch der pure Luxus, wenn sie ihren Mittagsschlaf bei mir auf dem Schoss halten kann. Nichts geht über einen Menschen, der einen ausreichend ausladenden Schoss hat, ob mir dabei die Beine einschlafen ist Lotte egal, hauptsache bequem, nah dran und Frauchen hat auf keinen Fall die Chance wegzulaufen. 
Eine Sache, bei der Lotte und ich uns sehr einig sind, ist die Anzahl der Körbchen. Eins reicht bei weitem nicht aus. Lotte hat drei (in einer Zweizimmerwohnung, die aber zugegeben sehr gross ist). Nicht jedes ist ergonomisch geformt, aber jedes mit Liebe placiert. Ihr Rückzugskörbchen, ihr Beobachtungskörbchen, ihr Fernsehkörbchen. Wie schon oft im Blog erwähnt ist Lotte kein ordinärer Bodenlieger, wo ein Wille ist, steht irgendwann ein Körbchen. Mir graut vor dem Tag, an dem der Mann in meinem Leben das Körbchen aus dem Schlafzimmer entfernen will... Zumal ich ohne das leise Hintergrundschnarchen meines Waldschratbeagles vermutlich gar nicht schlafen kann. An diesen Tag denken wir noch gar nicht. Lotte ist es aber ganz und gar egal, ob das Körbchen ergodynamisch geformt und aus Schaum gefertigt ist, der ihre Wirbelsäule entlastet. Hauptsache, sie muss nicht auf dem Boden schlafen, ein ganz ordinäres Körbchen von der Landi für zehn Franken tut seinen Dienst da bestens und ist gleich schnell vollgehaart, wie alle anderen auch. Am liebsten würde sie sowieso auf dem Bett und dem Sofa schlafen. Ein Körbchen wäre eigentlich total überflüssig. 
Für Lotte ist es der pure Luxus, wenn sie den ganzen Tag dabei sein darf. Wenn etwas um sie herum passiert und wir abends am liebsten noch Hundeschule haben, oder Tricktraining, oder Longieren oder so.. Hauptsache, wir machen es gemeinsam. Sie ist ein Meutehund, ich bin ihre Ersatzmeute, dem muss ich mich stellen und mir bewusst sein. 



Vielleicht sollten wir manchmal daran denken, was für unsere Hunde Luxus ist. Denn so ein gemeinsamer Spaziergang ist Luxus, ich lache mich krumm, wenn ich mich mit Lotte auf dem Hundeplatz um ein Spielzeug balge und sie mich hinterher so unglaublich zufrieden anschaut. Natürlich finde ich es wichtig, auf die Ernährung, etc. zu achten. Aber manchmal übertreiben wir es einfach, wir lassen uns Dinge einreden von Menschen, deren Meinung nichtig ist, deren Rat wir nicht brauchen, weil man es manchmal einfach so machen muss, wie man es selbst für richtig hält. 
Ich hoffe, ich kann mein Vorhaben, weniger lesen, mehr spielen, mehr Spass, mehr Blödsinn, selbst umsetzen. Natürlich möchte ich weiterhin einen gut erzogenen Hund haben, aber manchmal muss man die Balance selbst finden. Lotte und ich finden sie immer besser. 


Ich atme dich ein 
und nie wieder aus. 
Schließ' dich in mein Herz. 
Lass dich nicht mehr raus.
(Philipp Poisel, Eiserner Steg)