Kürzlich habe ich den Film "Blackfish" geschaut, eine Dokumentation über die Haltung von Orcas in Vergnügungsparks. Mir ist das Fischstäbchen im Hals stecken geblieben. Wie schrecklich, ich werde einen solchen Park nicht mehr unterstützen und auch nicht mehr besuchen.
Aber ich komme nicht drum herum mich selbst zu fragen, mache ich denn nicht das gleiche mit Lotte?
Natürlich, ich bewege sie viel, vermutlich sogar mehr, als der Normalhundehalter. Ich überlege mir immer wieder neue Herausforderungen. Aber im Augenblick liegt sie halt einfach gelangweilt neben mit im Starbucks und musste den ganzen morgen in der Uni auf ihrer Decke liegen und mehrheitlich die Klappe halten und schlafen, sie tut das mehr oder weniger gern. Verdonnere ich meinen Hund nicht auch zu einer Art Einzelhaft?
Ist das, was ich tue eigentlich artgerecht? Muss man sich als Hundehalter solche Fragen überhaupt stellen, denn so läuft das ja schon seit hunderten von Jahren.
Ich finde man muss über solche Fragen immer wieder nachdenken, besonders bei den hochspezialisierten Hunderassen, die uns heute begleiten. Nur so können wir Hundehalter die Haltung perfektionieren und trotzdem ganze Wohnungsmöbel ohne Bissspuren besitzen.
Ich denke im Augenblick also vermehrt über das Problem nach, je länger je mehr komme ich zu dem Schluss, dass es eigentlich in Ordnung ist, was ich tue. Hunde sind hochsoziale Tiere, auch wenn das manche Menschen nicht verstehen, aber ich bin Lotte Sozialpartnerin. Sie ist meine Begleitung, es ist meine Aufgabe darauf aufzupassen, dass sie nicht zu lang allein ist. Auch wenn das ab und zu trotzdem passiert, aber eben, ab und zu, weder täglich, noch wöchentlich. Das Bedürfnis nach Sozialkontakten versuche ich ihr auch zu erfüllen, indem wir regelmässig mit Hundefreunden spazieren gehen, sie spielen darf und manchmal auch ihren besten Freund verkloppen, wenn er ihr wieder auf den Senkel geht.
Sie führt sicher kein Leben, dass sie führen würden, wenn sie auf sich allein gestellt wäre. Aber würde das überhaupt noch funktionieren? Unsere Haushunde werden verhaltensgestört, wenn sie keinen Kontakt zu Menschen haben, welche tragisch schöne Studie. Da hat Lotte natürlich Vorzugsbehandlung, sie hat nicht nur Kontakt mit Menschen, nein, ich erzähle ihr sogar alles mögliche.
Ich probiere mein möglichstes, dass Madame ihre Triebe ausleben darf, ohne dass ein anderes Tier zu Schaden kommt. Ich gehe Fährten, Joggen, Velo fahren, Agility, jagen. Ich versuche keine Minute meiner Freizeit ohne Hund zu verbringen, zum Teil begleitet sie mich auch zur Uni. Sie wird also auch mit fremden Reizen überschüttet. Das war ein Kritikpunkt von vielen in dem Film, die Orcas haben zu wenig Platz und zu wenig Reize, die sie stimulieren. Bei einem Hund ist das natürlich einfacher zu erfüllen, als für einen Orca den Ozean nachzubauen, in dem adäquate Umweltreize zu finden sind. Wir können ja die Luft auch viel zu wenig lang anhalten, um mit ihnen Gassi zu gehen.
Lotte findet die Stadt und ihre Bewohner jeden Unifreitag immer wieder wundervoll. Man findet so viele gute Dinge zum Fressen, jede Strassenecke duftet verführerisch, nach einem unglaublich langen 8 Stunden Tag Uni ist Lotte vollkommen platt. Nicht mehr zu gebrauchen, als hätte sie selbst studiert und gelernt, aber ich glaube sie versucht diesem Treiben emotional auf die Schliche zu kommen. Es geht ihr weniger um sie Menschen als um die Reize, die auf sie einprasseln, die verschiedenen Stimmungen und Wandlungen, die während einer solchen Stunde passieren. Besonders schlimm war es für sie letzte Woche, als eine Kollegin von mir ziemlich heftig für ihre Arbeit gerügt wurde. Danach war sie richtig fertig, sie würde in solchen Situationen am liebsten den Raum verlassen, wispelt auf ihrer Decke herum und schämt sich fremd. Oder wenn ich mich in einer Stunde aufrege, Lotte wird wahnsinnig, wenn sie mir dann nicht auf den Schoss springen darf (was sie natürlich nicht darf), sie versteht einfach nicht, was es soll.
Nein, ich glaube ich komme wieder einmal zum Schluss, dass ich meinen Hund so artgerecht wie möglich in mein menschliches Leben integriere und sie trotzdem Hund bleiben darf. Im Herzen, dass wissen meine Leser ja nun schon lang, ist sie sowieso eine Diva-die Kallas.. Das einzige, was sie nicht artgerecht findet ist die Futterration, aber da schaut der Mann meines Lebens drauf, letztens gabs Feigen mit Vacherin, für den Hund... Naja, ein bisschen menschlich muss man ja sein.
Wir sind einfach ein "mad-team"...