Für mich ist es eine wahrhaft rührende Geschichte und wenn ich sie jetzt hier aufschreibe, dann werden einige meiner Leser denken, dass ich übertreibe. Ich versuche also diese Geschichte, die mir im Augenblick passiert so wie sie mir vorkommt wiederzugeben.
Alles fing damit an, dass eine wunderbare Arbeitskollegin von mir mir eines Abends im Geschäft erzählte, dass sie gern einen Hund zu sich nehmen würde. Sie reitet Endurance, also Langstreckenrennen, ist eine hervorragende Pferdefrau, von der ich in Sachen Pferd im Augenblick so einiges lerne. Und sie hätte gern einen Begleiter für alle Felle. Am liebsten einen Terrier, nicht etwa irgendeinen, nein, einen Jagdterrier. Innerlich habe ich mir an den Kopf gefasst und gedacht, die spinnt. Aber hei, jedem seins, ich habe auch einen Beagle.
Wie dem auch sei, ich stöbere hin und wieder gern auf der Homepage des Tierschutzbunds Basel, plötzlich, kurz nach dem Gespräch fand sich auf dieser Seite ein Jagdterrier. Spasseshalber schickte ich meiner Kollegin diesen Link. Sie fand ihn toll, aber.... Offenbar hat sie das Thema aber nicht losgelassen und sie ging ihn anschauen. Schon im Tierheim hatte man ihr gesagt, dass sie von diesem Hund nicht allzuviel erwarten müsse, er sei schwierig und kommuniziere so gut wie gar nicht mit Menschen. Ausserdem sei er aggressiv gegen andere Hunde. Sie ging trotzdem mit ihm spazieren. Er muss sich aufgeführt haben, wie ein Berserker. Aber meine Kollegin ist eine Pferdefrau mit einem schwierigen Pferd, so leicht lässt sie sich nicht einschüchtern (ein Charakterzug, den ich sehr an ihr schätze). Also fragte sie mich, ob ich nicht das nächste Mal mit Frau Lotte mitkommen könnte auf einen Spaziergang. Da ich mein Lottekind ja kenne wusste ich, dass das kein Problem werden dürfte. Lotte ist freundlich und nett, manchmal eine Zicke, aber wenn einer wirklich Stunk machen möchte, dann geht sie auf Abstand.
Trotzdem war ich am Anfang nervös, grundlos. Die reissende Bestie stellte sich als netter Hund heraus, der Gefallen an Lotti fand. Wir spazierten durch ein Dorf, an Kindern vorbei, trafen viele andere Hunde, die alle ganz blieben. So wie man sich das vorstellt. Es war herrlich entspannt und locker.
Aber da war ja immer noch diese Geschichte mit dem Stall. Pferde sind ein deutlich anderes Kaliber als andere Hunde.
Also wurde der Terrier, übrigens ein wunderschönes Tier, zum Stall geholt. Und er führte sich auf, als wäre der Leibhaftige hinter ihm persönlich her. Ich habe noch nie in meinem Leben einen Hund so in Angst und Rage erlebt wie ihn. Da meine Kollegin und ich aber über Willen und Ausdauer verfügen gingen wir sechs geschlagene Stunden durch den Wald. Lotti natürlich immer dabei, die diese Aufregung nicht verstand. Zu Anfang ging der Herr sogar so weit, dass er dem Pferd ins Gesicht sprang und es dabei verletze. Andere hätten das Vieh nach dieser Aktion ins Auto gepackt, ins Tierheim gefahren und nie wieder angesehen. Aber, wo die Liebe hinfällt. Wir zogen es durch und nach einer Zeit wurde er ruhiger, von entspannt konnte nicht die Rede sein, er liess das Pferd neben sich zu mit Sicherheitsabstand und Sicherheitsbeagle zwischen Hund und Pferd. Lotte spielte ihre Rolle hervorragend, war der absolute Verlasshund. Ohne Leine, mitten im Wald. Kein Thema. Ebenso das Pferd, ein junger Araber, der offenbar die Situation ähnlich wie Lotte einschätzte. Ein falscher Tritt und wir würden "zerstören, was zusammen gehört". Die beiden waren Spitzenklasse.
Am Ende konnten wir ein wenig entfernt vom Hof stehen, ohne dass dieser wunderbare deutsche Jagdterrier sich so aufregte, dass man mit einem Tinnitus nach Hause gehen würde. Ein kleiner Schritt.
Zugebene, ich war sehr unsicher, ob sich das legen würde. Terrier sind nicht gerade dafür bekannt ihre Vorurteile anderen Tieren gegenüber zu überdenken. Ich hatte mich schon fast damit abgefunden, dass es nichts wird.
Aber meine Kollegin ist vernarrt in diesen Hund. Wir einigten uns darauf ihm eine "letzte Chance" zu geben. Wir gehen gemeinsam noch mal in den Stall, er bekommt eine Stunde Zeit, wenn er in dieser Stunde Besserung zum letzten Mal zeigt (jedes Verhalten wäre besser gewesen), dann darf er zu ihr. Dann hat er nachgedacht.
Wir einigten uns sehr spontan auf heute morgen. Ich war besorgt und nervös, das Bild von einem Jagdterrier, der einem Pferd ohne mit der Wimper zu zucken ins Gesicht springt, das vergisst man nicht so schnell.
Aber, es geschehen noch Zeichen und Wunder. Schon beim ersten Anblick eines Pferdes bellte der Hund zwar, liess sich aber schnell davon abbringen und wir konnten mit ihm über den Hof laufen, ohne Stress und Hektik und vor allem ohne ohrenbetäubendes Schreien, Bellen, Zetern. Es waren viele Pferde unterwegs. Ich konnte meinen Augen kaum trauen.
Wir packten also zwei Pferde ein und gingen auf Wanderschaft. Es war, als hätte dieser Hund verstanden, dass dies seine letzte Chance auf einen tollen Platz wäre-er benahm sich vorbildlich. Lotte hingegen, die den Braten gerochen hatte nicht, sie ging auf Jagd, weil ich offenbar zu sehr mit dem Terrier beschäftigt war. Eigentlich ein gutes Zeichen, denn der ganze Spaziergang war sehr entspannt, der Hunde lief an der Leine neben den Pferden her, als hätte er nie etwas anderes getan, er bellte sie höchstens an, wenn er mehr Abstand wollte. Wohlgemerkt, am Anfang lag der Wohlfühlabstand bei dreissig Metern, heute morgen bei zwei Metern. Dieser Hund hat ganz schwer nachgedacht.
Jetzt hat er einen tollen neuen Platz.
Ich kann gerade in diesem Fall gar nicht ausdrücken, wie sehr ich mich freue. Es gibt so Hunde-Menschen Teams, die einfach toll miteinander aussehen. Dieses Team ist so eines. Dieser Hund hat sich wahnsinnig zusammengerissen, er hat alles gegeben, um zu zeigen, ich will zu dir. Mit dir mache ich diesen Blödsinn mit diesen Riesentieren.
Als wir ihn zurück ins Tierheim gegeben haben sind mir fast die Tränen gekommen, natürlich kann man viel in einen Hund hineininterpretieren, aber im Stall, wo wir sicher noch eine Stunde lang sasssen um sicher zu sein, dass wir nicht träumen, war der Hund so wahnsinnig entspannt. Direkt neben den Pferden. Er liess sich von allen Leuten streicheln und benahm sich wie ein alter Profi. Abgesehen von seinen gelegentlichen Attacken gegen den Traktor, aber als Terrier kann man nicht sicher sein, ob sich der Mensch, den man mag auch wirklich selbst verteidigen kann. Er liess sich aber immer schnell davon überzeugen das Ungeheuer sein zu lassen. Kurz, der Hund war wie verwandelt. Im Tierheim liess er die Ohren sinken, zog zur Tür.
Bubi, sie holt dich bald. Für immer. Du hast die richtige Wahl getroffen, ich freue mich für ein wunderbares Hund-Mensch-Team.
Ich werde weiter hin und wieder über die beiden berichten. Es ist eine rührende Geschichte.
Mir soll nochmal jemand erzählen, dass sich Menschen ihre Hund aussuchen. In diesem Fall glaube ich das Gegenteil. Der Hund hat sie gesucht. Und gefunden.
Der Hund hat im Leben ein einziges Ziel: Sein Herz zu verschenken.
Anonym