Sooo, da stehen wir also. Es nieselt, es windet, und wir warten... warten... warten... warten... warten..
Ich habe mittlerweile den Titel für diesen Blogbeitrag gefunden.
Und wir warten weiter...
Es gibt hier in der Nähe 4 Kirchturmuhren, die alle fast gleichzeitig schlagen...
Wir warten immernoch... Seit 45 Minuten...
Auf was warten wir?
Lotte probiert gerade aus, wer von uns beiden den längeren Atem hat. Ganz ehrlich. Meiner ist langsam verdammt kalt. Es geht nur drum, dass die die junge Dame ihren werten Brustkorb auf die Strasse legt. Stattdessen will sie mir einfach gerade weiss machen, dass sie nur sitzen kann. Platz? Noch nie gehört.
NIIIEEEE!!!!!!!! Ehrlich!!!!!!!!
Warten...
Unwillkürlich kommen mir die Textzeilen von Rhiannas "Only Girl in the world" in den Sinn:
Want you to make me feel like I’m the only girl in the world
Like I’m the only one that you’ll ever love
Like I’m the only one who knows your heart
Only girl in the world…
Like I’m the only one that’s in command
Cuz I’m the only one who understands how to make you feel like a man
Want you to make me feel like I’m the only girl in the world
Like I’m the only one that you’ll ever love
Like I’m the only one who knows your heart
Only one…
Und sogar die Textzeile "how to make me feel like a man" stimmt in diesem Fall. Ich verstehe sie ganz einfach nicht. Sie sitzt vor mir, schaut mich unverwandt an, bewegt sich keinen Millimeter. In keine Richtung. Mir ist kalt, ich bin furchtbar erkältet, aber jetzt auf aufgeben? NEVER!
Hier treffen gerade zwei Sturköpfe aufeinander. Dieses stumme Ringen wird hoffentlich nicht allzu oft vorkommen, aber es gibt mir einen guten Einblick in das, was mich erwarten wird, wenn Lotte in die Pubertät kommt... (Vielleicht doch besser steriliseren?!? Spass, never ever..)
Also warten wir. Ich fange an französisch Vokabeln in meinem Kopf durchzugehen. Schliesslich muss ich ruhig bleiben. Druck, Stress, würde die Situation nicht besser machen. Es ist sowieso schon gerade nicht locker flockig. Lotte schaut mich immer noch an, "Mädchen, gib auf, ich habe den längeren Atem!"
Wir stehen also am Waldrand, es hat schon lang eingedunkelt, es nieselt weiter. Wir sind ganz allein hier oben und haben einen tollen Blick auf Basel, den ich allerdings gern eintauschen würde gegen eine heisse Dusche.
Also weiter im Text. "Lotte, Plaaaatz." Ruhig, als hätte ich alle Zeit der Welt. Lott weiss auch, dass mir kalt ist. Mittlerweile nestelt sie zwischendurch mit der Nase am Boden, um zu prüfen, ob da unten auch alles klar ist.
Platz? Nein... Fehlanzeige.
Wir warten weiter.
Die Kirchtürme schlagen wieder.
Ich liebe dieses Mädel, was da vor mir sitzt. Aber Herrgott, warum muss sie in aller Welt Namen so stur sein, wie ich?
Sonst gab es heute nichts, aber rein gar nichts auszusetzen, an der jungen Dame. Sie hat die zweite Fährte toll gearbeitet. Fuss, Sitz, Brings, klappt alles. Aber Platz, dieses doofe Platz, das will sie heute einfach nicht.
Wir stehen jetzt eine Stunde am gleichen Fleck. Gucken uns an.
Like I’m the only one that you’ll ever love
Like I’m the only one who knows your heart
Jep, you know my heart, I know yours. Strong. Verry strong. Ouh darling.
Was einem da nicht so alles durch den Kopf geht. Warum bin ich genau an diesen Hund geraten? Sie ist mir wirklich ähnlich und ich merke immer mehr, wie wichtig sie für mich geworden ist. Dieses kleine sture Ding, das mich mit diesem knuffigen Gesicht unverwandt anschaut, immer mit dem Ausdruck (den ich natürlich interpretiere) "Vergiss das, Mädel, du gibst zuerst auf." Werde ich nicht. Sorry Lotte.
Eine Stunde. Am gleichen Fleck. Ich hoffe und glaube, dass ich nicht länger zu den Hundehaltern gehöre, die von ihrem Hund nur den Preis kennen. Ich kenne langsam aber sicher auch ihre Sturheit. Die ich ja sonst eigentlich mag, sie versucht sich so lange, bis sie es verstanden hat, auf der Fährte und im Agi wird ihr das zugute kommen. Sie hat einfach Biss. Ich darf mir jetzt nur nicht die Zähne ziehen lassen.
Kein Mensch weit und breit. Wenigstens muss ich mich nicht erklären. Es muss ziemlich dämlich aussehen, wie wir schweigend voreinander stehen. 2 Meter Abstand. Lotte mit ihrem blauen Leuchthalsband. Ich in meinen Wanderschuhen (die wirklich warm sind... Zum Glück) und vor Dreck starrenden Hundejeans. Würde ich uns begegnen, ich glaube, ich hätte Angst einer völlig durchgedrehten Hundebesitzerin schutzlos ausgeliefert zu sein. Aber nein, wir testen ja nur, wer den längeren Atem hat.
Ach Lotte, wenn ich dir doch nur sagen könnte, wieviel einfacher es wäre, wenn du einfach machen würdest, was ich dir sage. Aber ok, darauf hab ich auch nie gehört, Kopf durch die Wand. Recht hast du, mein Mädchen. Kampfloser Appell ist manchmal einfach auch doof.
Es nieselt weiter. Zum Glück habe ich immer Kapuzenpullis an. Meine Barbourjacke ist zwar genial winddicht und eigentlich auch wasserfest, aber ohne Kapuze wird der Kopf halt nass. Jetzt sehe ich endgültig aus, wie ein Terrorist.
Am Waldrand sehe ich einen Fuchs vorbeihuschen. Lotte nicht. Sie kratzt sich hinter dem Ohr, wie immer, wenn sie eine schwere Aufgabe lösen muss, oder gestresst ist. So schwer ist die Ausgabe nicht, also Stress. Aber aufgeben, niemals!
Die Kirchturmglocken läuten wieder. 1.5 Stunden. Nichts tun, nur stehen. Mantra eines Hundebesitzers, reloaded. Geduld will geübt sein. Wirklich gar nicht meine Stärke. Aber ok, in diesem Fall hilft einfach nichts anderes.
Ein Schritt auf Lotte zu, sie schaut mich erwartungsvoll an. Ich biete ihr ein Leckerchen an, ziehe sie damit ins Platz. Sie legt sich brav hin. Gutes Mädchen. Das hättest du ja auch die 10 Mal vorher, wo ich dir das angeboten hab, annehmen können. Stures Ding.
Manchmal muss man den jungen Dingern einfach die Hand bieten.
Das war die vermutlich härteste Lektion für uns beide. Ich nehme die kleine Maus auf den Arm und herze sie ausgiebig, hole ihr Spieltier raus und wir spielen los. Hüpfen nach Hause. Durchgefroren und beide um eine wichtige Erfahrung reicher. Manche Dinge kann man in keiner Hundeschule und auf keinem Hundeplatz lernen.
Den Dickschädel des eigenen Hundes muss man einfach erfahren. Auch wenns kalt, dunkel und nass ist. Allein auf einem Feldweg.
"Wer am längsten stur ist, gewinnt." C. Blocher
Obwohl ich kein Fan, dieses Politikers bin, ist dieses Zitat durchaus sehr passend. :)