Opportunismus pur

Gibt es so etwas wie puren Opportunismus? Ja, ich erkenne ihn klar und deutlich in meinem und den mich umgebenden Hunden. (Natur pur, Opportunismus pur? Der Zwiebelfisch hat eine wunderbare Glosse dazu geschrieben, aber da wir alles pur zu uns nehmen, nehmen wir doch heute auch den puren Opportunismus).
Da dies zum Glück kein wissenschaftlicher, sondern ein rein überspitzter, frei von jeglichen Plagiaten und deren Vorwürfen und auch sonst überhaupt kein repräsentativer, sondern eher ein persönlicher Blog ist, darf ich auch Wikipedia zitieren. Es ist wunderbar einfach, schnell gefunden und manchmal herrlich unwissenschaftlich kurz. In einer wissenschaftlich so unerheblichen Arbeit wie dieser durchaus angebracht.

Der Opportunismus stellt die Zweckmäßigkeit über die Grundsatztreue.


Meine Hunde sind allesamt Opportunisten. Keiner war da eine Ausnahme, sogar mein geliebter Labrador nicht. Lotte ist mir mittlerweile genauso sehr am Herz festgewachsen wie er, aber auch sie ist eher kompromissbereit in bestimmten Gefühlslagen. Lotte ist prinzipiell ein sehr treuer Hund, so treu, dass sie sich nur selten im Wald zwischen den Bäumen verläuft und wenn gerade nichts aussergewöhnliches passiert gern bei mir ist und mit mir Blödsinn macht.
Aber es gibt Ausnahmen.
Lotte ist ein Männerhund, mit ihren wunderbar geschminkten Augen (man könnte meinen, sie wäre bei der Schönheit doppelt und beim Gehorsam nur schnell angestanden) bezirzt sie jeden Mann. Hund oder Mann. Auch Meinen, die kleine Ziege. Sie liebt ihn, abgöttisch. Er mag sie auch, aber nicht ganz so gern, wie sie ihn. Sobald er reinkommt wird sich nach ihm umgedreht, sie ist dabei schneller als ich, dann springt sie an ihm hoch, zeigt ihre Schokoladenseite. Sie macht den Clown mit ihm, so wie sie es nie mit mir machen würde. Warum? Schlicht, er wollte sie nicht. Er kümmert sich nicht immer um sie, er ist interessant, weil nicht immer verfügbar, ausserdem ein wunderbarer Mitschläfer (Lotte ist ein Langschläferhund, alles vor 10 Uhr ist persönliche Beleidigung. Der Mann in meinem Leben horcht morgens auch gern lang am Kissen, da haben sich schon zwei gefunden). Da kann man als Hundehalterin einfach einpacken. Ich kümmere mich den ganzen Tag liebevoll um dieses kleine Gerät, gehe mit ihr raus, spiele, gehe in die Hundeschule und plane mein Leben rund um den Hund. Der Dank? Lotte würde niemals Kartoffeln ordinär aus meiner Hand fressen, der Mann in MEINEM Leben könnte ihr sogar Reiswaffeln geben, die sie mit grösster Zärtlichkeit aus seiner Hand pflücken würde, um sie dann vor seinen Füssen zu verspeisen. (Anders als andere Beagle hat Lotte kein quasireligiöses Verhältnis zu Essen entwickelt, sie frisst längst nicht alles, Staubtrockenes? Niemals!) Nein, das ist nicht fair.
Woran diese Affenliebe liegt? Keine Ahnung. Auch Mo liebte den Mann in meinem Leben, das habe ich ja noch leidlich verstanden. Die beiden waren wie zwei Verschworene gegen mich, die beiden Gentleman, so schien es, haben hin und wieder hinter vorgehaltener Pfote über meine Unzulänglichkeiten gelästert und sie mit stoischer Ruhe ertragen, ich ihre aber auch. Moritz hätte Tango im Stehen getanzt für ein ordinäres Leckerchen aus seiner Hand, die beiden waren wirklich herzerweichend.
Ich mag den Mann ja auch, sehr sogar, sonst würde er meine Wohnung nicht bevölkern dürfen, aber er will gar nicht so viel mit meinem Viechern zu tun haben. Sie lieben ihn trotzdem.
Wenn andere Menschen sich nur ein wenig für meine Hunde interessieren, dann flippen diese Viecher aus. Sie winden sich um fremde Beine, als hätten sie seit Monaten keine Streicheleinheit empfangen. Es wird DER Hundeblick aufgelegt, der einzigartige, der Kopf leicht zur Seite geneigt, in den Augen tritt ganz leicht das Weisse hervor, durch den Blick von unten links, die Ohren hängen auf Halbmast. Diese Masche können meine Hunde perfekt und Lotte perfektioniert das weiter. Sie ist einfach noch nicht zurückhaltend genug, wenn sich der Mensch wirklich ganz und gar nicht interessiert, dann springt sie hoch. Ein klarer Kardinalfehler, aber ich werde den Teufel tun und ihr das austreiben, damit versaut sie sich die Masche. Sie wirds schon merken. Gestern wollte sie dem Mann wieder auf dem Schoss springen, weil er sie für ganz kurze Zeit am Tisch ignoriert hat. Sie hätte ja auch zu mir kommen können, bei mir hätte sie natürlich auf den Schoss gedurft (natürlich erst nach dem Essen), aber beim Mann könnte immer etwas herunterfallen, da nimmt man in Kauf ganz abgewiesen zu werden, anstatt sich ein Leckerchen entgehen zu lassen. Ausserdem treibt sie Schabernack mit ihm, wie ein kleines, freches Mädchen, aber nicht so frech, dass er sie nervig finden würde.
Ein wohl erzogener Hund, dem der Mann Käsestückchen auf die Pfoten legen kann ohne dass sie sie nimmt, geben ihm das Gefühl er sei ein Löwenbändiger. Er nutzt das aus und Lotte spielt mit, nicht aber ohne ihn irgendwann anzupfeifen, dass es genug wäre. Er wird dann mit ihrem Divablick bestraft und angebellt, eigentlich hasst sie es, wenn sie mit anderen Menschen zusammenarbeiten muss. Ich habe sie letztens in der Hundeschule einem meiner Kollegen in die Hand gedrückt, der sie nach einer Viertelstunde entnervt zurückgab.. Er war offenbar nicht gut genug und wurde vollständig ignoriert. Entweder waren es nicht die richtigen Leckerchen, oder er war schlicht zu alt. Lotte mag Männer im Alter zwischen 20 und 30. Leider könnte ich mit ihr an meiner Seite keinen vernünftigen Flirt anfangen (falls ich es denn brauchen würde), schliesslich stehe ich meistens dreckig da, um es meiner Diva recht zu machen.
Wenn es allerdings um existentielle Dinge geht, wie Fressen oder Aua, da kommt die Dame dann doch immer noch gern zu mir. Sie würde sich Schmerzen nie vor anderen anmerken lassen, wenn sie dann aber warm und sicher auf meinem Arm sitzt, dann kann ich dafür angefaucht werden. Ich glaube ich habe über das Theater, als Madame sich ihren Nagel ausgerissen hat nicht berichtet, aber es war furchterregend. Nicht, dass wir es bemerkt hätten, als es im Garten passiert ist (jeder andere Hund hätte geschrien wie am Spiess), nein, erst in der Küche, als sie mich sah, fing sie an zu humpeln. Über das Theater hinterher beim Tierarzt mag ich fast nicht berichten, aber wir brauchten drei Personen, um die Dame festzuhalten, dabei war das Schlimmste schon vorbei. Wir wollten nur einen Verband anlegen. Ich bin auch prinzipiell gut genug böse angeschaut zu werden, wenn beim Tierarzt die Spritze weh getan hat, ich kann ja im Grunde genommen nichts dafür, aber der Tierarzt wird am Ende sicher noch einmal angewedelt, nur weil es dort immer Frolic gibt. Mich ignoriert die Diva einen Tag lang.
Ich nehme es in Kauf und amüsiere mich, irgendwann erinnert sie sich doch wieder an ihre Grundsatztreue.


Opportunismus ist die Kunst, mit dem Winde zu segeln, den andere machen. (Alessandro Manzoni)


Clownesk

Ich habe dieses Thema sicherlich schon mehrfach in meinem Blog angesprochen, aber ich finde es immer wieder amüsant. Besonders, wenn ich die Hauptrolle spiele. Sich zum Affen machen.
Es ist meine Lieblingsbeschäftigung, wenn ich mit Lotte unterwegs bin.
Ich denke, die Art darüber hinwegzusehen, wenn man sich selbst zum Affen machen, oder gemacht wird, haben ausschliesslich Eltern und Hundehalter. Wer schonmal ein brüllendes Kind mit seiner unbeeindruckten Mutter im Kaufhaus erlebt hat, der weiss, was ich meine. Ich unterhalte mitunter mit meinen Nachbarn, die ein Schreikind haben darüber. Man bekommt ein ziemliches dickes Fell. Als Hundehalter sowieso. Da der eine Teil der Menschheit gar nicht verstehen kann, warum man so ein Vieh in seine Wohnung lässt, ein anderer Teil gerne einen hätte, aber eine Allergie/keine Zeit/noch Reisen/sich verwirklichen will, bleiben zwei Sorten Hundehalter, diejenigen mit Chihuahuas auf dem Arm und die partiell oder ganz dreckigen.
Ich gehöre zu letzteren, wenn ich mit dem Hund draussen war sehe ich aus, wie ein Schwein. Aber es stört mich nicht. Im Augenblick ist es aber so, dass ich eine halbe Stunde mit dem Bus unterwegs bin, um an meinen Spazierplatz zu gelangen (dort gibt es keine Leinenpflicht). Da sieht die Sache schon anders aus.
Als Hundehalter muss man sich darauf einstellen mehrfach in der Woche komisch angeschaut zu werden. Gerade letztens hatten wir wieder eine herrliche Situation, ich lief mit meinem Stiefgrossmami durch die langen Erlen mit unseren Hunden, es war ein wunderbarer Tag. Lotte wälzte sich in menschlicher Kotze. Man kann das nicht einmal nett ausdrücken. Sobald sie in unsere Nähe kam stank es bestialisch. Natürlich versucht man in solchen Situationen den Hund notdürftig zu waschen, aber wer schon einmal Erfahrung mit anderen stinkenden Dingen gemacht hat weiss, das Zeug hält sich. Lotte hat auch die einzigartige Gabe derart widerwärtige Dinge gekonnt auf ihrem Halsband zu verteilen. Das wäscht man dann nicht so leicht ab, Nylon nimmt Gerüche gern und intensiv auf.
Irgendwann sass ich dann mit diesem stinkenden Vieh im Bus. Ich hatte gerade die Mittagszeit erwischt, alle Schüler wollten nach Hause. Und alle Kindergärtner. Und die ganze Kindergartengruppe. Lotte zieht Kinder magisch an. Der perfekte Moment um im Boden zu versinken, nach Hause zu laufen oder den Hund stehen zu lassen. Da der Boden sich nicht auftat, ich lange und ausgiebig laufen war und Lotte auf keinen Fall irgendwo einfach stehen lasse musste ich wohl oder übel einsteigen.
Kinder sind oftmals nicht gerade für ihre brave Zurückhaltung bekannt und siehe da, es wurde auch gleich im Bus herumproletet, wie sehr mein Hund stinken würde. Das wäre das widerlichste, was die Kinder jemals in ihrem Leben gerochen haben. Mitleidige Blicke der Omis, denn natürlich hatte ich mich mit Lotte im Gras gewälzt, mit meinen Wanderschuhen, die den Namen Schlammschuhe haben durch alle Pfützen gelaufen und meine dreckigen Finger an meiner Jeans abgewischt. Kurz, wir sahen aus, als hätten wir keine Wohnung, sondern unseren eigenen Einkaufswagen. Unter der Brücke. Und rochen auch so. In solchen Situationen ist das dümmste, was man machen kann, eine Entschuldigung murmeln. Einfach Brust raus, Krone drauf, weitergehen. Passt schon. Hundehalter lernen das. Hartes Training. Solche Tage sind dann Prüfungen, hat mans oder nicht? Das fängt schon beim rammelnden Welpen an, letztens schämte sich ein Mann so sehr für seinen jungen Rhodesian Ridgeback, dass er puterrot im Gesicht wurde, als sein Hund Bibi bestieg. Der muss noch viel lernen.
Besondere Trainingseinheiten kann es auf dem Hundeplatz geben. In unserer Gruppe läuft eine Schapendoeshündin mit, ein top Agilityhund, schnell, führig, super. Nur manchmal eine Diva. Wenn sie keine Lust hat, dann vergisst sie kurz ihre Abstammung als Hütehund und lässt sich fix über den Platz jagen. Wäre doch gelacht, wenn Herrchen nicht auch seine Fitnesseinheit abliefern müsste. Das anschliessende Donnerwetter unserer Trainerin erträgt Herrchen dann mit Hundeblick. Kann halt passieren. Wir sehen das unseren Hunden nach, wir nehmen dir Schmach, die ihnen gebühren würde gern auf uns. Hunde zu haben ist manchmal eine Aschenputtelübung, man sortiert ziemlich lange in der Asche die Erbsen, es gibt immer wieder fiese Rückschläge der vierbeinigen Divas. Aber irgendwann gibt es den Moment, indem man als Hundehalter glänzen kann, alles überstrahlen. Das schöne Halsband anziehen, in die Stadt gehen und Showlaufen. Oder auf dem Hundeplatz das Lob der Woche der Trainerin abstauben, oder von anderen gesagt bekommen, dass Lotte ein so wahnsinnig toller Hund ist. (Was sie auch wirklich ist, von Tag zu Tag besser, ruhiger, lustiger, mein Verlasshund).
Den Rest der Zeit lernt man mit Humor zu nehmen. Es gibt Menschen, die mich im Winter nicht erkennen, wenn ich mit dem Hund gehe. Ich trage einen Schlapphut, mehrfache Lagen Kleidung, Regen/Schneehosen, die bis zu den Knien hoch zugesaut sind und darüber meine unverzichtbare Barbourjacke, an der man oft das Wetter der letzten Woche erkennen an oder wenigstens die Schlammhöhe im Wald, je nachdem auch Lottes letzte Spielpartner, die mich als Prellbock benutzt haben, ablesen. Mein Vater hält stets eine frische Jogginghose für mich bereit, falls ich wieder schlammgebadet bei ihm einfalle. Ich habe schon oft versucht sauber von Spaziergang zu kommen. Es klappt nicht. Ich bin wahrscheinlich in der hundeeigenen Selbstbewusstseinsschule auf einem höherem Level angelangt. Dreck und Sabber, kein Ding. Next Level: Kotze auf Nylonhalsbändern im Bus. Ich weiss nicht, ob ich das Level danach überhaupt kennenlernen möchte.

In diesem Sinne:

Hunde sind nicht unser ganzes Leben,
aber sie machen unser Leben ganz.

Hunde und ihre Menschen

Für mich ist es eine wahrhaft rührende Geschichte und wenn ich sie jetzt hier aufschreibe, dann werden einige meiner Leser denken, dass ich übertreibe. Ich versuche also diese Geschichte, die mir im Augenblick passiert so wie sie mir vorkommt wiederzugeben.
Alles fing damit an, dass eine wunderbare Arbeitskollegin von mir mir eines Abends im Geschäft erzählte, dass sie gern einen Hund zu sich nehmen würde. Sie reitet Endurance, also Langstreckenrennen, ist eine hervorragende Pferdefrau, von der ich in Sachen Pferd im Augenblick so einiges lerne. Und sie hätte gern einen Begleiter für alle Felle. Am liebsten einen Terrier, nicht etwa irgendeinen, nein, einen Jagdterrier. Innerlich habe ich mir an den Kopf gefasst und gedacht, die spinnt. Aber hei, jedem seins, ich habe auch einen Beagle.
Wie dem auch sei, ich stöbere hin und wieder gern auf der Homepage des Tierschutzbunds Basel, plötzlich, kurz nach dem Gespräch fand sich auf dieser Seite ein Jagdterrier. Spasseshalber schickte ich meiner Kollegin diesen Link. Sie fand ihn toll, aber.... Offenbar hat sie das Thema aber nicht losgelassen und sie ging ihn anschauen. Schon im Tierheim hatte man ihr gesagt, dass sie von diesem Hund nicht allzuviel erwarten müsse, er sei schwierig und kommuniziere so gut wie gar nicht mit Menschen. Ausserdem sei er aggressiv gegen andere Hunde. Sie ging trotzdem mit ihm spazieren. Er muss sich aufgeführt haben, wie ein Berserker. Aber meine Kollegin ist eine Pferdefrau mit einem schwierigen Pferd, so leicht lässt sie sich nicht einschüchtern (ein Charakterzug, den ich sehr an ihr schätze). Also fragte sie mich, ob ich nicht das nächste Mal mit Frau Lotte mitkommen könnte auf einen Spaziergang. Da ich mein Lottekind ja kenne wusste ich, dass das kein Problem werden dürfte. Lotte ist freundlich und nett, manchmal eine Zicke, aber wenn einer wirklich Stunk machen möchte, dann geht sie auf Abstand.
Trotzdem war ich am Anfang nervös, grundlos. Die reissende Bestie stellte sich als netter Hund heraus, der Gefallen an Lotti fand. Wir spazierten durch ein Dorf, an Kindern vorbei, trafen viele andere Hunde, die alle ganz blieben. So wie man sich das vorstellt. Es war herrlich entspannt und locker.
Aber da war ja immer noch diese Geschichte mit dem Stall. Pferde sind ein deutlich anderes Kaliber als andere Hunde.
Also wurde der Terrier, übrigens ein wunderschönes Tier, zum Stall geholt. Und er führte sich auf, als wäre der Leibhaftige hinter ihm persönlich her. Ich habe noch nie in meinem Leben einen Hund so in Angst und Rage erlebt wie ihn. Da meine Kollegin und ich aber über Willen und Ausdauer verfügen gingen wir sechs geschlagene Stunden durch den Wald. Lotti natürlich immer dabei, die diese Aufregung nicht verstand. Zu Anfang ging der Herr sogar so weit, dass er dem Pferd ins Gesicht sprang und es dabei verletze. Andere hätten das Vieh nach dieser Aktion ins Auto gepackt, ins Tierheim gefahren und nie wieder angesehen. Aber, wo die Liebe hinfällt. Wir zogen es durch und nach einer Zeit wurde er ruhiger, von entspannt konnte nicht die Rede sein, er liess das Pferd neben sich zu mit Sicherheitsabstand und Sicherheitsbeagle zwischen Hund und Pferd. Lotte spielte ihre Rolle hervorragend, war der absolute Verlasshund. Ohne Leine, mitten im Wald. Kein Thema. Ebenso das Pferd, ein junger Araber, der offenbar die Situation ähnlich wie Lotte einschätzte. Ein falscher Tritt und wir würden "zerstören, was zusammen gehört". Die beiden waren Spitzenklasse.
Am Ende konnten wir ein wenig entfernt vom Hof stehen, ohne dass dieser wunderbare deutsche Jagdterrier sich so aufregte, dass man mit einem Tinnitus nach Hause gehen würde. Ein kleiner Schritt.
Zugebene, ich war sehr unsicher, ob sich das legen würde. Terrier sind nicht gerade dafür bekannt ihre Vorurteile anderen Tieren gegenüber zu überdenken. Ich hatte mich schon fast damit abgefunden, dass es nichts wird.
Aber meine Kollegin ist vernarrt in diesen Hund. Wir einigten uns darauf ihm eine "letzte Chance" zu geben. Wir gehen gemeinsam noch mal in den Stall, er bekommt eine Stunde Zeit, wenn er in dieser Stunde Besserung zum letzten Mal zeigt (jedes Verhalten wäre besser gewesen), dann darf er zu ihr. Dann hat er nachgedacht.
Wir einigten uns sehr spontan auf heute morgen. Ich war besorgt und nervös, das Bild von einem Jagdterrier, der einem Pferd ohne mit der Wimper zu zucken ins Gesicht springt, das vergisst man nicht so schnell.
Aber, es geschehen noch Zeichen und Wunder. Schon beim ersten Anblick eines Pferdes bellte der Hund zwar, liess sich aber schnell davon abbringen und wir konnten mit ihm über den Hof laufen, ohne Stress und Hektik und vor allem ohne ohrenbetäubendes Schreien, Bellen, Zetern. Es waren viele Pferde unterwegs. Ich konnte meinen Augen kaum trauen.
Wir packten also zwei Pferde ein und gingen auf Wanderschaft. Es war, als hätte dieser Hund verstanden, dass dies seine letzte Chance auf einen tollen Platz wäre-er benahm sich vorbildlich. Lotte hingegen, die den Braten gerochen hatte nicht, sie ging auf Jagd, weil ich offenbar zu sehr mit dem Terrier beschäftigt war. Eigentlich ein gutes Zeichen, denn der ganze Spaziergang war sehr entspannt, der Hunde lief an der Leine neben den Pferden her, als hätte er nie etwas anderes getan, er bellte sie höchstens an, wenn er mehr Abstand wollte. Wohlgemerkt, am Anfang lag der Wohlfühlabstand bei dreissig Metern, heute morgen bei zwei Metern. Dieser Hund hat ganz schwer nachgedacht.
Jetzt hat er einen tollen neuen Platz.
Ich kann gerade in diesem Fall gar nicht ausdrücken, wie sehr ich mich freue. Es gibt so Hunde-Menschen Teams, die einfach toll miteinander aussehen. Dieses Team ist so eines. Dieser Hund hat sich wahnsinnig zusammengerissen, er hat alles gegeben, um zu zeigen, ich will zu dir. Mit dir mache ich diesen Blödsinn mit diesen Riesentieren.
Als wir ihn zurück ins Tierheim gegeben haben sind mir fast die Tränen gekommen, natürlich kann man viel in einen Hund hineininterpretieren, aber im Stall, wo wir sicher noch eine Stunde lang sasssen um sicher zu sein, dass wir nicht träumen, war der Hund so wahnsinnig entspannt. Direkt neben den Pferden. Er liess sich von allen Leuten streicheln und benahm sich wie ein alter Profi. Abgesehen von seinen gelegentlichen Attacken gegen den Traktor, aber als Terrier kann man nicht sicher sein, ob sich der Mensch, den man mag auch wirklich selbst verteidigen kann. Er liess sich aber immer schnell davon überzeugen das Ungeheuer sein zu lassen. Kurz, der Hund war wie verwandelt. Im Tierheim liess er die Ohren sinken, zog zur Tür.
Bubi, sie holt dich bald. Für immer. Du hast die richtige Wahl getroffen, ich freue mich für ein wunderbares Hund-Mensch-Team.
Ich werde weiter hin und wieder über die beiden berichten. Es ist eine rührende Geschichte.
Mir soll nochmal jemand erzählen, dass sich Menschen ihre Hund aussuchen. In diesem Fall glaube ich das Gegenteil. Der Hund hat sie gesucht. Und gefunden.


Der Hund hat im Leben ein einziges Ziel: Sein Herz zu verschenken. 
Anonym

Süchtig

Zugegeben, ich war schockiert. Gestern Abend sagte mir der Mann in meinem Leben ich sei süchtig. Süchtig??? Ich nehme weder verbotene Drogen, noch rauche ich und zu Alkohol habe ich ein unstetes Verhältnis. Ab und zu, aber selten zu viel.
Bisher war ich der Meinung, dass ich sehr gesund lebe, abgesehen von meiner Liebe zu Eis und Schokolade.
Drogen? Nein, in meinem Leben nicht. Oder eben doch? Der Mann in meinem Leben präzisierte. Du bist süchtig nach deinem Hund. Du könntest jede Sekunde mit ihr verbringen. Die drei Monate, in denen du keinen Hund hattest warst du unerträglich. Unerträglich??? Wirklich? Offenbar schon, ich habe offenbar schlecht geschlafen (es hat ja auch kein Vierbeiner meinen Schlaf bewacht), ich war anstrengend, anhänglich und nervig. Ja, zugebenen. Ich war nicht ausgelastet.
Aber Lotte eine Droge? Ich habe im Internet recherchiert, Hunde können einen ähnlichen Effekt im Hirn auslösen. Sie helfen uns besser durch schwierige Prüfungen als unsere besten Freunde, ihre Anwesenheit senkt in einem Büro den Stresslevel aller Mitarbeitenden, Hunde lesen uns und unterstützen uns. Ihre nervigste Eigenschaft ist vermutlich das laute Furzen im vollen Tram (und Bücher fressen, nicht wahr, liebe Lotte?)
In Amerika werden Hunde in Resozialisierungsprogrammen eingesetzt, mit grossem Erfolg.  Den Gefangenen werden unvermittelbare Hunde in ihrer Resozialisierung an die Hand gegeben, die sie ausbilden müssen, damit sie wieder in eine Familie eingegliedert werden können.
Aber so weit bin ich ja nun wirklich nicht.
Aber eine Droge? Ich brauchte mehr Meinungen und wo könnte man besser fragen, als während einer Vorlesung. Ich diskutierte also fröhlich mit meinen Mitstudis, natürlich war ich der Meinung, dass sie die Meinung des Mannes relativieren würden und mir sagen würden, dass ich zwar sicher nicht ganz dicht sei, aber ansonsten normal. Falsch gedacht. "You are a dog addict"... Zum Glück gingen sie nicht so weit, mir zu sagen, dass mein Hund mein Kindersatz sei (was sie wirklich nicht ist, ich möchte kein Kind haben, das sich in Kotze wälzt). Aber meine Droge, ganz sicher. Sie waren sich einig.
Ich muss es also einsehen, der Mann hat Recht. Ich wäre mit Hund entspannter, natürlich. Wie auf Drogen. Wenn man es so betrachtet, dann stimmt das tatsächlich. In der Anwesenheit von Hunden werden Endorphine ausgeschüttet, Glückshormone, Stress wird dadurch gesenkt. Durch Spazieren an der Luft kann man weiterhin Stress abbauen und man kommt, zwangsweise in Kontakt mit anderen Menschen.
So gesehen eine Art Droge, wenn man auf dieser Droge weiter schwimmt, dann driftet man meist in irgendwelche komischen Gruppen ab, die sich Hundeverein nennen (ich bin Mitglied im HSP Allschwil), dort wird dann der Droge so richtig gefrönt. Regelmässig treffen wir uns mit unseren Drogen auf dem Platz und laufen im Kreis, wir sprechen in einer Art Babysprache ("Feini,feini,feini"), tun Dinge, die kein normaler Menschen machen würde. Wer würde sich sonst schon freiwillig im Gras wälzen? Nur Irre und Drogenabhängige. Oder sich zum Affen machen, indem er den Hund wie ein Pferd aussen an einem Longierzirkel langlaufen lässt. Wer versteht schon, ausser Drögelern, die Geheimsprache, wenn man von BH, Agi, VPG, VPH, IPO spricht? Die Normalos haben doch tatsächlich das Gefühl man spricht einen Mix aus Krankenhausslang und willkürlich aneinandergereihten Konsonanten.
Ja, ich glaube ich bin eine von diesen Irren. Trotzdem habe ich mir die gesündeste Droge der Welt ausgesucht.
Am Ende konnte der Mann in meinem Leben seine schon fast böse Anschuldigung wieder gut machen. "Es ist ja gut, dass du Lotte hast. Ohne sie wärst du einfach nicht der Mensch, den ich so liebe."
Drogen verändern die Menschen eben manchmal auch ins Gute.

Ich fand heraus, dass einem in tiefen Kummer von der stillen, hingebungsvollen Kameradschaft eines Hundes Kräfte zufließen, die einem keine andere Quelle spendet.

Doris Day